Die KI-Revolution begreifen
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Der Begriff Digitalisierung und Industrie 4.0 ist heute Gegenstand vieler Diskussionen. Aber was wird darunter verstanden? Stellen Sie sich vor, die Schneidemaschine erzählt der Schleifmaschine, dass der Klaus Georg aus der Produktion gestern einen Anschiss von seinem Chef bekommen hat. Daraufhin meint der Lagerroboter, dass die Marie Luise aus der Qualitätssicherung seit drei Tagen eine neue Haarfrisur hat. Die Verpackungsmaschine hat mitbekommen, dass die Marie Luise ein Auge auf den neuen Vorarbeiter Karl Gustav geworfen hat. Spaß beiseite - so weit ist es noch nicht. Das dauert noch eine Weile bis die Maschinen sich auch über Klatsch und Tratsch unterhalten können. Dann müssen Sie aber aufpassen, vielleicht posten die Maschinen dann alles in Facebook.
Digitalisierung ist auch ein IT-Thema!
Kürzlich las ich in einem Fachbuch als ersten Satz: „Digitalisierung ist kein IT-Thema“. In Deutschland verstehen die meisten die Digitalisierung als ein reines Managementthema. Genau hieran krankt die ganze Branche in Deutschland. Die Unternehmen finden keine IT-Fachleute (z.B. Programmierer, Datenanalysten, KI-Experten, usw.), die konkrete Digitalisierungsprojekte in die Tat umsetzen können. Alleine vom Analysieren und Reden ist noch kein neues digitales Produkt entstanden. In den USA wird die Digitalisierung von IT-Leuten angegangen, bei uns von Personen mit MBA-Abschluss. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt. Anstatt die Mitarbeiter mit praktischem IT-Wissen im Bereich Programmierung, Datenanalyse, Datensicherheit, usw. zu schulen, werden lieber teurere Berater bezahlt. In stark hierarchischen Firmen kann ein Entwicklungsingenieur schon froh sein, wenn er die Schriftgröße in seinen PowerPoint-Folien selber entscheiden darf. Der erwähnte Autor rät übrigens zu mehr Kreativ-Meetings - einfach Lachhaft. Das ist Cargo Cult in Reinform!
Dass wir die Digitalisierung auch einfach in die Tat umsetzen können, zeigen unsere Drittsemester aus den Studiengängen Medizintechnik, Ingenieurspsychologie und Produktionstechnik am Hochschulcampus Tuttlingen. Drei wesentliche Dinge waren uns als Dozenten wichtig: Erstens, das Potential digitaler Produkte in der Arbeitswelt zu begreifen. Zweitens, wichtige Konzepte einer höheren Programmiersprache zu erlernen. Und drittens konkrete Projekte zielgerichtet mit modernen Entwicklungsmethoden in die Tat umzusetzen. Neben vorgegebenen Fallstudien erhielten die Studenten die Aufgabe im Team ein eigenes Digitalisierungsprojekt umzusetzen. Das Ziel ist es gemeinsam eine funktionale und benutzerfreundliche Software zu erstellen. Ihr Ergebnis präsentierten die Studenten uns kürzlich im Rahmen eines Pitches. Eine Auswahl aus einer Vielzahl von wunderbaren Apps und Webseiten finden Sie im Folgenden.
„Einfach serviert mit reserviert“ löst das Problem der aufwendigen und komplizierten Tischreservierung in einem Restaurant. Lust auf gutes Essen? Die App "reserviert" von Oliver, Jonas, Annika, Carina und Nicolas (v.l.) starten, aus tollen Restaurants wählen, Wunschplatz und Zeit angeben, Bestätigung erhalten und Genießen! Die App leistet eine einfache Kommunikation zwischen Kunde und Restaurant und liefert einen perfekten räumlichen Überblick über das Restaurant.
„Nie wieder Durstig“ war das Motto der Fünf Studierenden aus Ingenieurspsychologie. Sie konstruierten einen intuitiv bedienbaren Getränkeautomaten, der ohne Bargeld funktioniert. Die zugehörige Software, programmiert mit Java und Arduino, trackt die Verfügbarkeit der Getränke und versendet eine E-Mail an den Lieferanten, wenn die Getränke zur Neige gehen. Mit einer bildhaften Übersicht der Zuckermenge erfolgt eine Ausgabe von Gesundheitshinweisen an den Anwender.
„Der Pflanzensitter“ löst das Problem vertrockneter und überwässerter Pflanzen. Die für sämtliche Devices nutzbare Webseite gibt Aufschluss über den Zustand von Pflanzen. Mit der Webseite ist es möglich den Feuchtigkeitswert der Pflanze über einen Sensor zu bestimmen und ihn auf eine nutzerfreundliche Skala zu transformieren. Diese Skala passt sich an die Feuchtigkeitsanforderungen der verschiedenen Pflanzen an und stellt durch vier Farben den Zustand der Pflanze dar.
Shopping-App für Lebensmittel: Sophia, Anja, Therese, Selina und Elise (v.l) programmierten eine App, um das Einkaufen komfortabler und das Konsumverhalten nachhaltiger zu gestalten. Die App bietet die Möglichkeit, den momentanen Lebensmittelvorrat aufzuzeichnen und von überall abzurufen. Mit der integrierten Einkaufsliste kann der Nutzer seinen nächsten Einkauf planen. Weggeworfene Lebensmittel werden dokumentiert und je nach verbraucht-weggeworfen-Bilanz ändert sich ein Brokkoli in Zwischenschritten zwischen fröhlich und traurig.
Unsere Studenten im neuen Studiengang Ingenieurspsychologie können in diesem Projekt ihr gesamtes Wissen aus den ersten Semestern in die Praxis umsetzen. Erst das Zusammenwirken der modernen Methoden aus der IT mit den Ideen und Konzepten der Psychologie und des Produktdesigns ermöglichen moderne Mensch-Maschine-Interaktionen. Nutzerzentriertes Entwickeln von Produkten, bei denen der Kunde im Mittelpunkt dieses Prozesses steht - das ist Digitalisierung! Das Ausprobieren ist dabei ein ganz zentraler Aspekt, um ein digitales Verständnis zu erwerben. Erfolgreiche digitale Produkte oder Geschäftsmodelle entstehen heute nicht durch plangesteuertes Vorgehen, sondern durch wohlüberlegte Experimente. Wir alle müssen heute lernen gewisse Unsicherheiten zu ertragen, und damit klar kommen, wenn Ideen oder Konzepte auch scheitern. Das Prinzip von Versuch und Irrtum steht im Zentrum der digitalen Revolution. Dieser evolutionäre Lernprozess versetzt uns in die Lage unsere Fähigkeiten durch Feedback von der Umgebung zu verbessern. Dieses Lernen ist gleichzusetzen mit technischem Fortschritt, der zu mehr Produktivität führt, und sich am Ende in zukünftigen Wohlstand niederschlägt.
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