Warum tun wir uns in Deutschland so schwer bei der Digitalisierung? Digitale Technologien sind überall verfügbar: Software, Sensoren, Cloud-Computing, Künstliche Intelligenz und Vernetzung gibt es nicht nur im Silicon Valley, China, oder Israel. Was also machen digital erfolgreiche Unternehmen anders? Die Antwort ist die Folgende: Sie schauen auf die Welt aus einer anderen Perspektive. Sie nutzen andere Denkwerkzeuge, bedienen sich eines anderen Mindsets. Sie denken und handeln entgegen bekannter und bisher durchaus erfolgreicher Prinzipien der Unternehmensführung. Digitale Intelligenz bedeutet daher, dass man den Autopiloten ausschalten und sein Geschäft von den Geschäftsprozessen über Produkte und Services bis hin zum Geschäftsmodell neu überdenken muss. Die Digitalisierung fordert von uns, gegebene Regeln zu hinterfragen, die prägende Kultur aus Managementgrundsätzen des Industriezeitalters zu überwinden und uns neue Denk- und Handlungskonzepte im Umgang mit der Digitalisierung anzueignen. Das ist leicht gesagt und unendlich schwer getan.
Vom Hidden Champion zum Hidden Loser!?
In unserer Beratungspraxis stellen wir fest, dass Unternehmen die neuen digitalen Technologien oftmals nur in homöopathischen Dosen nutzen. Ein Grund hierfür ist fehlendes Wissen und die Dominanz einer erfolgreichen Vergangenheit. Ingenieure können Maschinen konstruieren, aber kaum Daten analysieren. Die relevanten Informationen sind aus den vorhandenen Daten nicht extrahierbar. In der heutigen Ausbildung von Ingenieuren und Betriebswirten besitzen Programmieren, Algorithmen und Datenanalysen immer noch einen nachgeordneten Stellenwert. Diese Defizite werden für die Unternehmen zunehmend zu einem Problem. Dagegen legen die USA und China konsequent das Fundament für diese Zukunftstechnologien.
Den zentralen Grund für die zurückhaltende Auseinandersetzung deutscher Unternehmen mit Digitalisierungsthemen sehen wir in der Unternehmenskultur. Es dominiert immer noch die Kultur des Industriezeitalters, die auf Hierarchien, plangesteuertem Vorgehen sowie einem Streben nach absoluter Perfektion setzt. Wir leben in dynamischen, teilweise chaotischen Zeiten mit ungeheurer Komplexität. Die starke Zunahme der Komplexität unserer Welt ist das Ergebnis eines beschleunigten (digitalen) Transformationsprozesses. Diese Komplexität entsteht durch die Zunahme der Vernetzung, dem Austausch von Informationen und einer nichtlinearen Prozessdynamik. Die Instrumente klassischer Planung und Organisation bleiben hier stumpf. Die lineare Fortschreibung der Daten und Erfahrungen der Vergangenheit bildet keine stabile Basis mehr für zuverlässige Prognosen und Entscheidungen. Die Verantwortlichen stehen vor einem schwarzen Loch des Nichtwissens. Privat käme niemand auf die Idee, sich beim erstmaligen Besuch Berlins im Jahre 2021 mit Hilfe einer Karte Berlins aus dem Jahr 1900 zu orientieren. Im Geschäftsleben scheint diese Logik niemanden zu stören. Man begegnet dem Neuen mit den unbrauchbaren Plänen der Vergangenheit.
Wir sehen die größte Herausforderung für unsere Unternehmen nicht darin, dass diese die Entwicklungen der Digitalisierung vollständig verschlafen könnten. Wir sehen das Kernproblem in einer Mischung aus fehlendem Tempo und althergebrachten Methoden, mit denen auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu reagieren versucht wird. Die althergebrachten Methoden äußern sich in hierarchischen Strukturen, in streng plangestütztem Vorgehen, in komplizierten und bürokratischen Regeln, in langsamen Kommunikations- und Entscheidungsprozessen, in vorgegebenen Denkschablonen sowie in Verordnungen, Vorschriften und Richtlinien, die in erster Linie Risiken ausschalten und ein möglichst stabiles „System Unternehmung“ schaffen sollen.
Digital intelligent ist
Digital intelligente Menschen haben nach unserer Überzeugung eine ganze Reihe von „Fähigkeiten“. Sie denken und handeln wie innovative Unternehmer. Beim Finden und Umsetzen von Neuem denken sie wie Softwareentwickler und Künstler: Sie sind lern- und experimentierfreudig. Sie schwimmen gegen den Strom und folgen lieber der eigenen Überzeugung, als der gerade vorherrschenden Mehrheitsmeinung.
Digital intelligent ist
- wer paranoid ist,
- wer unternehmerisch denkt,
- wer eine blaue Brille aufsetzt,
- wer nicht an Algophobie leidet,
- wer heimlich im Keller arbeitet,
- wer zerstört und wieder aufbaut,
- wer in Updates denkt und handelt,
- wer bündeln und aufschnüren kann,
- wer mehr am, als im System arbeitet,
- wer versucht, irrt und wieder versucht,
- wer eine Kultur des Scheitern etabliert,
- wer kein Frankenstein Monster erschafft,
- wer einen Kompass, aber keinen Plan hat,
- wer keine Angst hat, als verrückt zu gelten,
- wer vom Übermorgen her das Heute steuert,
- wer, wenn er plant, wie die Feuerwehr plant,
- wer Truthähne und schwarze Schwäne kennt,
- wer die Planwirtschaftler in die Wüste schickt,
- wer seine Routineaufgaben automatisieren kann,
- wer wie Wagniskapitalgeber denkt und investiert,
- wer eine Vielfalt an Ideen und Meinungen zulässt,
- wer seine Firma nicht in einen Zombie verwandelt,
- wer Fred Feuerstein nur mit seinen Kindern schaut,
- wer den Lollapalooza-Effekt kennt und berücksichtigt,
- wer das Lernen als zentrales Unternehmensziel ansieht,
- wer wenige Grundprinzipien über viele Methoden stellt,
- wer über naiven Optimismus und starke Nerven verfügt,
- wer mit seinem Freund, dem Computer kommunizieren kann,
- wer die enge Beziehung zwischen Software und Wertschöpfung sieht,
- wer auch mal die Regeln bricht und den Status Quo über den Haufen wirft,
- wer seine Daten mit intelligenten Algorithmen in strategische Werte umwandelt,
- wer KI als ein Mittel zum Zweck und der Startschuss für etwas viel Größeres ansieht.
Es hilft also nicht, einfach mal ins Silicon Valley, oder nach Tel Aviv zu reisen und sich dort von Methoden wie Design Thinking oder von bunten Arbeitsplätzen inspirieren zu lassen. Solange im heimischen Unternehmen jede unternehmerische Initiative früher oder später mit Hinweis auf Budgets, Richtlinien und Kompetenzen abgewürgt wird, helfen auch die hippen und agilen Arbeitsmethoden nicht weiter. Wie jeder Computer, benötigen auch unsere Unternehmen ein Update ihres Betriebssystems, d.h. ein Update in den Denk- und Verhaltensmustern der Mitarbeiter. Das neue Betriebssystem muss die Kreativität und unternehmerische Initiative jedes einzelnen Mitarbeiters fördern und die Budgetzuweisungen an der Logik von Wagniskapitalgebern ausrichten. Das regelmäßige Updaten des individuellen sowie unternehmenseigenen Betriebssystems ist ein Zeichen digitaler Intelligenz.
Mehr zum Thema der Digitalen Intelligenz erfahren Sie in unserem neuen Buch
„Digitale Intelligenz: Das Betriebssystem für Digitale Revolutionäre“.